"Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen."

- Johann Wolfgang von Goethe

 

Interpretierende Fragen, die uns quälten, beantwortet zu werden:

Welche Rolle spielte Ehre zur Zeit der Geschichte?

Am Ende bringt sich der Protagonist um, weil er seine Ehrenschulden nicht bezahlen konnte. Mit dieser Schwulitatibus konnte er nicht weiterleben. Er schuldete dem Konsul 11’000 Gulden. Nachdem er alles versucht hatte, um das Geld zu besorgen, versagte er kläglich. Der Konsul drohte dem Willi, dass er auch seinen Job und damit auch seinen Ruf verlieren würde. War die Ehre wirklich so signifikant?

 

In dieser Zeit war, vor allem für die oberen Schichten, Ehre etwas sehr Wichtiges. Die Ehre entschied darüber, wie man von anderen gesehen und wahrgenommen wird. Die Ehre ist ein personaler Wert. Eine ehrenhafte Person hatte folgende Eigenschaften: Loyalität, Integrität und Treue. Max Wundt, ein deutscher Philosoph, behauptet, dass es von zwei Seiten betrachtet werden sollte, die personale und die soziale Seite. Die Personale bezieht sich dabei eher auf das Innere des Einzelnen. Es geht um die Würde. Wobei die soziale "eigentliche Ehre" darstellt. Erst die gesellschaftliche Anerkennung der Würde nennen wir Ehre. Diese wird vor allem an der Leistung, die eine Person erbringt, gemessen. „Wichtige Leute“ in der Gesellschaft mussten also eine grössere Leistungserwartung gerecht werden, genossen aber auch grosse Ehre in der Gesellschaft. Als Leutnant hatte man natürlich grössere Erwartungen, die man erfüllen musste. Man hat ein bestimmtes Narrativ, welches man nachkommen musste, ansonsten wird man in der Gesellschaft als Person nicht respektiert. Für die Ehre würde man sehr viel aufgeben. Wie man auch in der Geschichte sieht. Er legt seinen ganzen Stolz und Würde vor dem Konsul, seinem Onkel und teilweise auch Leopoldine Lebus ab. Er bettelt und fleht sie an. Aber er hatte eben keine andere Wahl. Wenn er seine Ehre nicht verteidigt hätte, hätte er auch kein normales Leben führen können. Er würde von der Gesellschaft schlecht behandelt werden. Niemand würde ihm vertrauen, niemand würde ihm seine Hilfe anbieten, weil er keine „verlässliche Person“ ist. Auch konnte er keinen anderen Beruf ausüben, da er sonst nichts erlernt hatte. Es stellt sich heraus, dass Ehre damals eine viel grössere Bedeutung als heute hatte, weshalb das Ende von vielen auch als unsinnig wahrgenommen wird, aber eigentlich macht es, den Umständen entsprechend, Sinn. Nur durch diese Umstände konnte der Konsul den Protagonisten erfolgreich bedrohen, weil man alles für seine Ehre tun würde. Diese Aktion des Konsuls könnte man auch als Racheakt betiteln. Er selbst kam eben von einer tieferen Schicht und hatte ein schwierigeres Leben als der Hauptcharakter. Er verspürte einen, wenn auch nur kleinen, Hass gegen die oberen Schichten. Das könnte ein weiteres Motiv für die strikten Bedingungen für die Rückgabe der Schulden sein.

Was hat es mit dem französischen Kognak und ungarischen Wein auf sich?

Während wir das Buch lasten, fiel uns allmählich auf, dass hin und wieder die Präsenz 2 bestimmter alkoholischen Getränke Teil der Beschreibung einiger Szenen sind. Der (ungarische) Wein und der (französische) Kognak. Dazu stellten wir uns ebenso die Frage, was wohl das Dingsymbol der Geschichte sei, da uns die Antwort nicht auffällig genug erschien. Unsere These resultierte aus unserer Beobachtung, dass bei fast allen der Schlüsselmomente der Erzählung eines der beiden Getränke einen Auftritt macht und je eine andere Atmosphäre mit sich bringt:

 

1. Auftritt: 2. Kapitel, der Wein bei Kessners (nicht gesagt, dass er ungarisch sei) wird gemeinsam beschrieben mit: angenehmer Gesellschaft, gutem Essen und Willis Unterhaltung, welche eine Dame dazu bringt, Interesse an ihm zu zeigen, der normalerweise nicht viel Glück in der Liebe hat. 

2. Auftritt: 5. Kapitel, ungarischer Wein wird von der Spielpartie getrunken, nachdem Kasda 2000 Gulden eingesackt hatte.

3. Auftritt: 6. Kapitel, Willi trinkt Kognak (nicht unbedingt französisch) und seine Lage wird unsicher, da er abwechselnd verliert und gewinnt, dann, als er die 4200 Gulden hatte, überkommt ihm der Hochmut, welcher wohl ein schlechtes Omen auszeichnet.

4. Auftritt: 7. Kapitel, Willi scheint wie in einer Spiel-Trance gewesen zu sein und hinterfragt, ob es der Kognak gewesen sein könnte und da die letzte Flasche Kognak von Elrief geleert wurde, könnte man meinen, dass alle Misserfolge jetzt nicht mehr rückgängig gemacht werden können, ähnlich wie es unmöglich wäre, den getrunkenen Inhalt wieder in die Flasche zurück zu befördern. Dazu scheint das Trinken des Kognaks der Anderen von Kasdas hilflosen Situation abzulenken.

5. Auftritt: 12. Kapitel, Kasdas Vorstellung eines "guten Tages" sei einer, an dem er gut isst und ungarischen Wein trinkt.

6. Auftritt: 13. Kapitel, beim Besuch Leopoldines stossen sie mit Wein an, was die Glücksgefühle von Kasda auszeichnen könnte, da er bei Leopoldine gut ankommt. Aber sobald er leer ist, nimmt Kasda einen französischen Kognak hervor, was kurz vor der Nacht mit Leopoldine war, die ihn dann demütigt und schlussendlich verzweifeln lässt, was ihm ja schlussendlich sein Leben kostet.

 

Durch diesen kleinen, analytischen Rückblick kamen wir auf den Schluss, dass das Dingsymbol dieser Novelle der variierende Alkohol sein muss. Diese Theorie brachte uns sogar so weit, dass wir schon vorausschauend wissen konnten, ob es in gewissen Momenten der Lektüre als nächstes bergauf oder bergab gehen würde.

 

Unsere Überzeugung ist also die folgende: ungarischer Wein bedeutet Hoffnung, Erfolg oder Glück für Kasda, während französischer Kognak vor näherenden Tragödien, Verlusten oder negativen Gefühlen warnt.

Nutzte Leopoldine Lebus Robert nur aus?

Die Beziehung zwischen Leopoldine und Robert ist etwas speziell. Es ist eine Kontraktbeziehung. Zum Beispiel darf Robert sie nur an bestimmten Tagen besuchen. Wenn er sie öfters besucht, droht sie ihm sogar, Schluss zu machen. "Und jeder Versuch, den ich anfangs unternommen habe, um gelegentlich einen Vorschuss zu bekommen, war umsonst. Nach dem zweiten Versuch habe ich es übrigens wohlweislich unterlassen. Denn dann habe ich sie sechs Wochen nicht zu sehen bekommen, und sie hat einen Eid geschworen, daß ich sie überhaupt nie wieder zu Gesicht bekomme, wenn ich jemals wieder mit einem solchen Ansinnen an sie herantrete."Allerdings hat Leopoldine das ganze Vermögen des Roberts bekommen. Man nennt zwar den Grund, dass Robert nicht so gut mit Geld umgehen konnte, was für uns aber nicht so überzeugend klingt. Dadurch konnte sie eine erfolgreiche Karriere starten und wurde reich. Dafür spricht auch, dass Robert eine sehr naive Person zu sein scheint. Das mit der Geldübergabe zum Beispiel wollte er selber. Er scheint auch eine gewisse Abhängigkeit von ihr entwickelt zu haben. "Ich brauch' sie nämlich, Willi, ich kann ohne sie nicht existieren." Unserer Meinung nach ein deutliches Zeichen für eine ungesunde Beziehung. Aus diesen Gründen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Lebus ihn sehr wahrscheinlich für den persönlichen Erfolg ausgenutzt hat.

"Pech in der Liebe, Glück im Spiel." Hat sich dieser Ausspruch im Lauf der Geschichte als wahr behauptet?

Bereits im ersten Kapitel der Geschichte spricht Kasda ein Sprichwort aus, als Otto mit seiner Last auf ihn zugekommen ist und die beiden spekulieren, wie er ihn aus seiner Schuld befreien kann. Er sagt:

"Ich weiß, die Chance ist nicht überwältigend, aber der Tugut hat sich neulich gar nur mit fünfzig hingesetzt, und mit dreitausend ist er aufgestanden. Und dann kommt noch etwas hinzu: daß ich seit ein paar Monaten nicht das geringste Glück in der Liebe habe. Also vielleicht ist auf ein Sprichwort mehr Verlaß als auf die Menschen."

Wir stellten uns nach der Lektüre die Frage, ob dieses Sprichwort innerhalb des Werkes ein Gesetz zu sein versucht.

Im dritten Kapitel macht sich Kasda mit 1155 Gulden davon, er hat Glück im Spiel. Dann macht er sich im vierten Kapitel zu Kessners auf (man könnte denken, dass er auf eine schöne Bekanntschaft hofft), jedoch ist die Gesellschaft nicht zuhause und sind ohne ihn essen gegangen. Wir gehen davon aus, dass dieser "Zufall" ein Indiz für die Befürwortung der These sein, dass er durch das gewinnen, Pech in der Liebe hat.

Ebenfalls bezogen auf Fräulein Kessner und ihre Gesellschaft wäre ein Moment im fünften Kapitel, in welchem Kasda Fräulein Kessner im Restaurant trifft. Jedoch wird er "liebenswürdig begrüsst", obwohl er soeben etwa 2000 Gulden ergattert hat. Das widerspricht wiederum dem Sprichwort. Aber das ist noch nicht alles.    

Ein eindeutigeres Zeichen für diese Regelung in der Erzählung wären die Ereignisse während Leopoldines Besuch im dreizehnten Kapitel. Leopoldine und Kasda küssen sich und verbringen die Nacht mit einander. Das alles ereignet sich, nachdem er seine ganzen Gulden verloren und sich selbst Schulden eingetrieben hat. Er hatte Pech im Spiel und scheint jetzt, wenn wir nicht die Fortsetzung dieser Nacht beachten, Glück in der Liebe zu haben.

Nun müssten wir uns entweder durch den einzelnen Widerspruch geschlagen geben, oder wir ändern die Ansicht: Vielleicht hatte Willi eigentlich gar kein Interesse an einer Person aus der Gesellschaft Kessners. Oder wir bleiben etwas wertend und gehen davon aus, dass alle potentiellen Liebhaber ausschliesslich Leopoldine, keinerlei Relevanz zum Nachweis dieser Gesetzmässigkeit haben.

Wenn wir davon ausgehen, würden wir sagen können, dass sich das Werk an diesem kleinen Sprichwort orientieren liess.

Wir persönlich würden es als künstlerisch bewundernswert sehen, diesem Satz die Macht eines Naturgesetzes in dieser Geschichte zu verleihen.